29. Januar 2016

COME TOGETHER - Pathetik oder letzte Rettung? | #ESC2016


Seit Montag ist er bekannt, der offizielle Slogan des 61. Eurovision Song Contests: Come Together. Zu Deutsch: zusammen kommen. Bereits seit 2002 hat der ESC in jedem Jahr ein spezielles Thema oder einen Slogan unter dem der größte Musikwettbewerb der Welt ausgetragen wird. In diesem Jahr ist er brisanter denn je, denn Europa ist an einem Punkt von Misstrauen, Angst und ja sogar Hass angekommen, sodass es höchste Zeit wird zusammen zu kommen und sich daran zu erinnern, warum wir uns seit den 1950er Jahren zusammen finden, um zueinander zu finden und Grenzen zu überwinden.
Wie es der Chefproduzent des diesjährigen Contests richtig sagte: "Wir glauben, dass die Idee der Einheit heutzutage genau so wichtig ist, wie in den 1950ern, als der Wettbewerb startete".

Aber kann der Eurovision Song Contest wirklich eine derartige politische Aussage tragen, dass sich Politiker in Europa plötzlich besinnen und ihre (Abschottungs-)Politik überdenken? Wohl kaum, denn dafür ist der ESC viel zu gesellschaftlich, viel zu unterhaltend. Kann das vielleicht aber gerade der Vorteil sein? Die Musik und das gemeinsame Musizieren, Tanzen, Feiern - dient das alles nicht dazu, um jemanden auf sanfte, angenehme Art und Weise etwas näher zu bringen? Wenn wir gemeinsam singen, tanzen und feiern - können wir dann nicht mehr Grenzen, und damit meine ich nicht nur Staatsgrenzen, überwinden, wie man es sonst nie schaffen würde? Denn wenn wir im Mai in Stockholm zusammen kommen, kommen nicht nur die Staatsbürger Frankreichs, Norwegens oder Ungarns zusammen - es kommen auch Menschen aus China, Kasachstan und ja auch aus Syrien, dem Irak und Afghanistan zusammen. Und das ist gut so, denn dafür existiert der ESC seit den 50ern. Damit wir menschlich näher zusammen rücken, unseren kulturellen Horizont erweitern und so unsere Handlungsweisen überdenken. Damit Europa auch in Zukunft sicher und friedlich bleibt. Deshalb sollten wir den Slogan "Come Together" eher als Einladung verstehen, damit wir auch in Zukunft näher zusammen rücken und nicht auseinander bröseln.

Und was eignet sich dafür symbolisch besser, als eine Pusteblume, die viele mit der beliebten Lampe des schwedischen Möbelhauses verwechseln? Dieses resistente, anpassungsfähige und wandelbare Gewächs, das fast in ganz Europa, zumindest in den Sommermonaten, zu finden ist. Es kann fast überall seine Wurzeln schlagen und verbreitet sich rasant schnell, wenn sich im Spätsommer die gelben Blüten in graue Cake Pop-Kugeln verwandeln und so den Samen in die Umgebung streuen. Genau so soll in diesem Jahr diese ESC-Pusteblume diese Botschaft der Einheit in ganz Europa verbreiten, Menschen dazu zu bringen näher zusammen zu rücken und sich nicht aus reinem Hass und Widerwillen abzulehnen. Es wäre schade um Europa.

24. Januar 2016

Meine TOP 5 (Stand 24.01.2016) | #ESC2016


Langsam aber sicher verbreitet sich die ESC-Stimmung überall in Europa. Nicht nur, dass am morgigen Montag der offizielle Slogan und das Logo des Wettbewerbs bekannt gegeben werden, viele Länder beginnen mit ihren teilweise fullminanten Vorentscheiden. So geht der litauische Vorentscheid über sagenhafte sieben Vorentscheidungssendungen. Genau fünf Länder haben zum jetzigen Zeitpunkt bereits ihren Künstler und Song bekannt gegeben, genug um eine erste Bilanz zu ziehen.

Wie im Vorjahr werden alle Songs, und auch die Künstler, nach diesen Kriterien beurteilt:

Melodie - Wie wirkt die Melodie auf mich und was stellt sie mit mir an? Ist die Melodie eingängig, anspruchsvoll oder will sie auch nach dem fünften Mal Hören nicht ins Ohr? Ruft die Melodie Gefühle in einem hervor? Verändert sie deine Gefühlslage? 
Qualität des Songs - Macht es Spaß den Song zu hören, oder nervt der Song? Wie verändert sich das Lied in sich selbst? Gibt es Melodiewechsel oder Ähnliches? Gibt es markante Stellen, die den Song zu etwas besonderen machen?
Lyriks - Haben die Lyriks einen Sinn oder eine Aussage? Was will der Künstler uns mit dem Song sagen? Gibt es eine Pointe, Message oder eine Moral? Erzählen die Lyriks eine Geschichte? Wie wirken die Lyriks auf mich und was rufen sie in mir hervor? Sagen sie vielleicht genau das, was ich gerade fühle? 
Authentizität des Künstlers - Wie passt der Song zum Künstler? Fühlt der Künstler das, was er gerade singt bzw. hat er den Song verinnerlicht? Wie bringt er den Song rüber?
Originalität des Songs - Was macht den Song zu einem Original? Orientiert er sich zu stark an dem, was es bereits gibt? Wird mit dem Song eventuell nur etwas imitiert?
Eurovisionfähigkeit - Wie passt der Song und der Künstler in die ESC-Welt? Können sich Song und Künstler auf einer internationalen Bühne präsentieren? Werden sie dem Trubel und der ganzen Aufmerksamkeit gerecht? Wie vermarktet der Künstler sich, hat er eventuell eine Aussage oder Botschaft mit seinem Handeln/Auftreten? Wie tolerant und offen ist er gegenüber Neuem, anderen Lebensweisen, Sichtweisen und Gedanken? 
Gesamteindruck - Persönliche Wertung meinerseits. Wie und was strahlt der Künstler für mich aus? Mag ich das, worüber/wovon er/sie singt_en? Gefällt mir der Künstler, und eventuell auch seine Message?

Sondersympathiepunkte - Werden meinerseits vergeben an besonders sympathische Künstler oder Songs. 

Maximal können in jeder Kategorie fünf Punkte vergeben werden, sodass maximal 40 Punkte erreicht werden können, was jedoch im Vorjahr nicht vorgekommen ist. Aber vielleicht schafft es ja in diesem Jahr jemand die Höchstpunktzahl zu holen. Daraus würde sich zum jetzigen Zeitpunkt folgende Wertung ergeben: 


 

22. Januar 2016

Sterne im Tiefflug nach Stockholm | #ESC2016


Gerade eben hat es sich entschieden: Ivan wird Weißrussland beim Eurovision Song Contest 2016 in Stockholm mit dem Song "Help You Fly" vertreten. Im Finale des Eurofestes setzte er sich gegen neun weitere Kandidat_innen durch, die wirklich nur teilweise eine ernsthafte Konkurrenz für ihn darstellten.
Meine Favoritin Anastasiya Malashkevich landete am Ende nur auf dem fünften Platz, was vielleicht auch daran lag, dass ihre Nummer zu stark verändert wurde. Es war einfach nicht mehr genug Raum für ihre powervolle Stimme und ihren starken Ausdruck. Oder lag das vielleicht an dem nonnenähnlichen Kleid?

Am Ende hat sich Ivan, dessen richtiger Name eigentlich Aleksandr Ivanov ist, dann doch verdient vom durchaus abwechslungsreichen musikalischen Rest abgehoben. Nicht nur weil seine gesangliche Leistung extrem gut war, auch der Song hat einen sehr eingängigen Refrain, der auch in ganz Europa ankommen könnte. Nicht zu weichgespült aber auch kein Rock - die perfekte Mischung. Eine Frage bleibt dann aber doch noch offen: Wieso hat ihn vor der Sendung niemand zum Friseur geschickt?

Ivan (Quelle: wiwibloggs.com)

Auch in Belgien wurde diese Woche eine Entscheidung gefällt, denn dort endete der Eurosong-Vorentscheid, den in diesem Jahr das flämische Fernsehen austrug. Nach dem überraschenden Erfolg von Loïc Nottet im Vorjahr im wallonischen Fernsehen, wollte man in diesem Jahr unbedingt nachlegen. Nicht nur das musikalische Niveau der Kandidaten war sehr hoch, nein auch ESC-Stars wie Alexander Rybak oder Hadise traten im Finale auf. Letztendlich konnte die junge Sängerin Laura Tesoro das Publikum und die Fachjury für sich begeistern, sie gewann mit dem Song "What's The Pressure".

Laura Tesoro (Quelle: tttartists.be)
Aber können sowohl Laura Tesoro als auch Ivan mit ihren Songs wirklich ganz Europa überzeugen? Beide liefern gesanglich solide Leistungen ab und auch die Performances von beiden Künstlern scheint sehr vielversprechend zu werden, denn besonders Lauras Song hat das Zeug dazu die Leute auf der Tanzfläche mitzureißen. Beide müssen sich mit ihren Songs keineswegs verstecken und haben gute Chancen auf das Ticket für das Finale. Aber dennoch wird man den Beigeschmack nicht los, dass man eigentlich mehr erwartet hätte. Aber vielleicht ist genau diese Erwartungshaltung am Anfang gar nicht schlecht, denn so haben die Künstler genug Raum dafür, uns zu überraschen. Die ganz Großen können ja noch kommen.




16. Januar 2016

Dansk Melodi Grand Prix 2016 - Das sind die Kandidaten | #ESC2016


Mit einem Fauxpas begann der diesjährige Vorentscheid Dänemarks zum Eurovision Song Contest, denn eigentlich wollte die verantwortliche Rundfunkanstalt DR die Teilnehmer noch nicht bekannt geben. Doch dann tauchte eine Playlist auf Spotify auf und damit war das Geheimnis gelüftet. Alte Bekannte und wunderbare neue Talente kämpfen am 13. Februar im Dansk Melodi Grand Prix darum, wer Dänemark in Stockholm vertreten darf. Und das sind die zehn Kandidat_innen:


Lighthouse X / Soldiers Of Love 

Quelle: havekommunikation.dk




Muri & Mario / To Stjerner

Quelle: bimg.dk





Anja Nissen / Never Alone
 
Quelle: cosmopolitan.au





Sophia Nohr / Blue Horizon

Quelle: mx.dk





Bracelet / Breakaway

Quelle: naturalvideo.net





Veronicas Illusion / The Wrong Kind
 
Quelle: fuse.tv





Simone / Heart Shaped Hole  

Quelle: fyens.dk




Kristel Lisberg / Who Needs A Heart

Quelle: kvf.fo





David Jay / Rays Of Sunlight 

Quelle: scandinaviansoul.com






Jessica / Break It Good

Quelle: dr.dk




Wirklich jeder einzelne Song hätte das Potenzial zum echten Ohrwurm. Ich würde diese Entscheidung nur ungern treffen wollen. Meine persönlichen Favoriten sind aber Lighthouse X und Muri & Mario! Was haltet ihr von den Kandidat_innen? Wer ist euer Favorit? Lasst mir gerne einen Kommentar da.

13. Januar 2016

Ein Sonnenschein für Irland | #ESC2016


Je öfter man den Titel "Sunlight" von Nicky Byrne hört, desto bessere Laune bekommt man. Ein weiterer fantastischer Grund, warum Nicky Byrnes Teilnahme am Eurovision Song Contest 2016 für Irland einfach nur großartig ist. Mit Byrne nominiert der irische TV-Sender RTÉ einen wahren ESC-Fan, denn er wuchs schon von klein auf mit dem Grand Prix auf. Beste Voraussetzungen also, damit es Irland endlich mal wieder in das Finale schafft. Denn in den vergangenen Jahren blieb Irland mit Künstler_innen wie Casey Smith oder Molly Sterling nur im Halbfinale hängen.
Aber nicht nur das, denn Nicky Byrne ist als ein ehemaliges Mitglied der Boygroup Westlife, die weltweiten Erfolg hatten und Millionen von Tonträgern verkauften, wirklich sehr bühnenerfahren.

Nicky Byrne (Quelle: eurovision.de)

 Wie wir in den letzten Jahren gesehen haben, gehört zum Sieg weit mehr als ein guter Song. Man braucht vor allem eins: Aufmerksamkeit. Ich bin mir ziemlich sicher, dass Byrne genau weiß, wie er sich die ergattert. Viel machen muss er dafür sicher nicht, denn mit seiner positiven und fröhlichen Ausstrahlung zieht er den Zuhörer sehr leicht in seinen Bann. Sein Song unterstreicht seine Ausstrahlung sehr charmant, denn der durch und durch positive Song sprüht fast vor guter Laune. Genau richtig für die Partybubble Eurovision.

Meinen Segen, zumindest für das Finale, hat Byrne, denn meiner Meinung nach, hat er den besten Song. Okay, das ist auch wirklich nicht schwer im Rennen mit lediglich Albaniens Chanteuse Eneda Tarifa. Ich bin gespannt, ob sich sein Song in der Masse behaupten kann oder verschwimmt.



Auch in San Marino hat man sich für einen Künstler entschieden, und zwar für niemand geringeren als den türkischen Sänger, Moderator und Produzenten Serhat. Dieser hatte mit Hits wie "Je m'adore" riesigen Erfolg in ganz Europa. Ein Song wurde auf der kurzfristig anberaumten Pressekonferenz am Dienstag allerdings nicht bekannt gegeben. Ebenso wenig, ob der Song in einer Show gewählt werden soll oder intern bestimmt wird.

Serhat (Quelle: ogae.de)

 Was haltet ihr von Nicky Byrne und Serhat? Lasst mir gerne einen Kommentar da!
 

3. Januar 2016

Die Gottespartitur - von Edgar Rai

Der erste Tag der Frankfurter Buchmesse. Jeder bereitet sich vor, rückt sich, oder auch seine Werke, ins perfekte Licht. Nur der Mittfünfziger berliner Literaturagent Gabriel Pfeiffer ist müde und kann nur relativ wenig Euphorie für diese mit Terminen überladenen, hektischen Tage aufbringen. Auch dann nicht, als plötzlich ein junger geistlicher Seminarist namens Matthias vor ihm steht und ihm eine wahrhaftige Entdeckung überreicht. Denn eben jener Seminarist hat sich mit den Reisen des Charles Burney ausgiebig beschäftigt, und glaubt, dabei auf einen von Burney entdeckten Gottesbeweis gestoßen zu sein.
Kaum relevant für Gabriel, der fest im Leben steht, einen guten Job hat, und auch sonst, geprägt von seiner Kindheit, nichts mit Glaube und Religion zu tun hat. Gabriel hat ganz andere Probleme. Nämlich existentielle: Er zweifelt an seiner Lebensweise. Hat Zukunftsängste. Vielleicht auch Altersängste. Nicht nur, weil seine einzige Stütze im Leben seine Assistentin Leonore ist, die eigentlich auch die Hauptarbeit in der Agentur erledigt, und nebenbei, sich wie eine Art Mutterersatz, um den taumelnden Gabriel kümmert.

Doch als Gabriel mitten auf einem Pressetermin die Nachricht liest, dass der Seminarist Matthias tot in einer Kapelle aufgefunden wurde, bekommt er Zweifel. Das kann unmöglich Zufall sein. Er nimmt die Spur auf, liest das Manuskript, das Matthias ihm überreicht hat, fährt sogar zu Matthias Beerdigung in das verschlafene Städtchen Gödelsburg. Doch was eindeutig scheint, stellt sich als verworren und kompliziert heraus. Aber vor allem als sehr theologisch, denn in Gödelsburg findet Gabriel nur Hinweise, keine Antworten. Auch ist es fraglich, ob er diese dort hier finden kann.

"der Glaube vereinfacht vieles: nichts hinterfragen zu müssen, wissen, dass alles einen verborgenen Sinn hat. Es ist wie im Theater: Die, die sich täuschen lassen, haben ganz klar mehr davon."

Und was als sachte Geschichte über das Leben von Gabriel Pfeiffer beginnt, baut sich zu einem Roman mit Tiefe und reflektierenden Ansätzen über Religion auf, der insbesondere die Aspekte der Religion, in diesem Fall das Christentum, beleuchtet, die sich mit unseren Ängsten, Problemen und Konflikten kreuzen. Meistens suchen wir in diesen Fällen nach Antworten auf zu viele unbeantworte Fragen. Suchen Wege um Trauer oder Wut zu verarbeiten. Wie liefert uns in diesen Fällen die Religion eine plausible Antwort? Ganz nach Karl Marx Ansatz: "Religion ist das Opium des Volkes". Werden die Probleme und Koflikte einfach nur geduldet und dadurch erträglich?
Letztendlich ist das nur eine Religionskritik, die man nicht teilen muss. Aber auch in Rais Roman ist das Ende eher offen gehalten, damit jeder selbst über seine Meinung, ja auch über seine Haltung zur Religion nachdenken kann.


Kritik: 
Wer mich und meinen Blog kennt, der weiß, dass Edgar Rai für mich einer der talentiertesten deutschen Schriftsteller ist. Rai besticht nicht nur durch seinen unglaublich sauberen und unkomplizierten, aber nicht einfachen, Schreibstil, sondern auch durch seine Kunst, eine Geschichte lebendig zu machen und diese perfekt abzurunden. Mit diesem Buch hat Rai außerdem bewiesen, dass er nicht nur Jugend- und Young Adult-Romane schreiben kann, er hat bewiesen, dass er auch anspruchsvollere Themen bravurös umsetzen kann.








Kurzinfos:
Titel: Die Gottespartitur
Autor: Edgar Rai
Seiten: 304
Verlag: Berlin Verlag (Piper)
Preis: 19,99 €
ISBN: 978-3-8270-1149-7


Man liest sich! 
© Ethnokult und so.
Maira Gall